Studie

Die Vascular Risk Foundation analysiert für die Schweiz (Region Olten) und für Deutschland (Region Koblenz) die Datenbank Arteris, ein Gemeinschaftsprojekt der Varifo mit Dr. med. Ansgar Adams. Der folgende Text wurde am 03.12.2017 erstellt. Update vom: (bisher keine Updates).

Hintergrund

Die Studie dient dazu, den relativen potentiellen Effekt verschiedener unabhängiger Risikofaktoren auf die Krankheitskompression bei gesunden Personen mit niedrigem Durchschnitts-Risiko (< 10% in 10 Jahren) der Population zu untersuchen. Dazu wurde der aktuelle Arteris-Datensatz von über 8’000 Personen auf Personen im Alter zwischen 35 und 75 Jahren beschränkt.

Methode

Jede Person gab an, gesund zu sein und unterzog sich einer Untersuchung der Halsschlagader zur Bestimmung der Gesamtflächensumme der Atherome im Längsschnitt (=total plaque area TPA). TPA ist ein weltweit für die Prognose kardiovaskulärer Ereignisse validierter und unabhängiger Risikofaktor. Weitere unabhängige Risikofaktoren, welche in dieser Studie berücksichtigt werden, sind das Alter, das Geschlecht, Blutdruck, Gesamtcholesterin, HDL, LDL, Triglyceride, Body Mass Index BMI, Raucherstatus (Ja/Nein). Diabetiker wurden vorerst von der Studie ausgeschlossen. Ferner war bekannt, ob in der Familie vorzeitig kardiovaskuläre Ereignisse auftraten.

Die Risiken wurden berechnet nach AGLA für die Region Olten, nach PROCAM für die Region Koblenz, ferner nach SCORE und FRAMINGHAM. Da der FRAMINGHAM Rechner eine bessere Diskrimination der fortgeschrittenen Atherosklerose erlaubt , wurde für die definitive Risikoberechnung der FRAMINGHAM Rechner verwendet. Zur Berechnung der Effekte der Korrektur von Risikofaktoren wurden diese auf die Idealwerte gesetzt und das Resultat neu berechnet.

Resultate

Für die Studie waren 2’021 Personen aus der Olten Region und 3’331 Personen aus der Koblenz Region verfügbar. Das Durchschnittsalter betrug 55 und 48 Jahre. Das AGLA/PROCAM Risiko betrug 3.9% und 4.2%, das SCORE Risiko 2.1% und 1.1% und das FRAMINGHAM Risiko 12.4% und 9.2% in 10 Jahren für kardiovaskuläre Ereignisse.  Unter Berücksichtigung des Kalibrationsfaktors von 0.7 für FRAMINGHAM betrug des relative Risiko AGLA/PROCAM zu FRAMINGHAM  für beide Populationen 2.22. Zur Berechnung des Risikos wurde deshalb für die Olten Region das Resultat des Risikos aus FRAMINGHAM mit 0.7 multipliziert.

Auf der Populationsebene ergab die Berechnung der Idealwerte, dass das LDL Cholesterin an erster Stelle liegt, gefolgt von Blutdruck, Rauchen, BMI und HDL. Dies gilt für beide Populationen sehr ähnlich. Dies gilt hier noch für das kardiovaskuläre Risiko zu erkranken (CVM).

Die folgende Grafik zeigt die absolute Risikoreduktion. Dies gilt hier noch für das kardiovaskuläre Risiko zu erkranken (CVM).

Diese Zahlen wurden nun mit dem Gesamtmorbiditätsfaktor von 2.75 multipliziert und berechnet, in welchem Alter diese Population zu 90% und zu 80% gesund sein wird. Wir sehen hier, dass diese Population ohne weitere Intervention nur noch wenige Jahre zu 90% gesund bleibt, nämlich für beide Populationen rund 5 Jahre. Die Berechnung zeigt ferner auf dem 90% Niveau, gesund zu bleiben, die Krankheitskompression in der Schweiz von 59 auf 74 Jahre und in Deutschland von 52 auf 67 Jahre bewirkt werden kann.

 

Diskussion

Wir zeigen erstmals eine Schätzung zur Krankheitskompression in einer schweizerischen und in einer deutschen Population. Basierend auf den Risikofaktoren hat das LDL Cholesterin das grösste Potential zur Krankheitskompression auf der Populationsebene. Weitere wichtige Risikofaktoren sind der Blutdruck, das Zigarettenrauchen und das Übergewicht. Durch Erzielung von Idealwerten möglichst früh im Leben kann die Zahl der gesunden Jahre deutlich erhöht werden. Dieser Gewinn ist umso ausgeprägter, je niedriger das erreichte Risiko durch Prävention ist. Deshalb ist es wichtig, alle möglichen Risikofaktoren möglichst rasch und effizient in den Zielbereich zu bringen. Insbesondere erhöhte LDL Werte (> 1.8 mmol/l) haben für die Volksgesundheit das grösste Potential zur Risikoreduktion. Diese Populationswerte lassen sich an einem Beispiel veranschaulichen. Wir haben eine 50 jährige Person und variieren das Krankheitsrisiko von 2% bis 11% in 1% Schritten (Grafik). Dabei zeigt sich, wie die erwarteten gewonnenen Lebensjahre mit zunehmenden Risiko mit einer Potenzfunktion abnehmen, während das Risiko nur linear ansteigt.

 

Die Einschränkungen zu den Aussagen dieser Studie sind die fehlende Validierung anhand von tatsächlichen Beobachtungen der erwarteten Krankheitsereignisse und die gewisse Arbitrarität der getroffenen Annahmen. Dies wird dann in der Originalarbeit anhand von Sensitivitätsanalysen noch weiter eingegrenzt werden.  Dabei wird das Rechenmodell mit verschiedenen Annahmen nochmals neu gerechnet. Das Modell gestattet aber zweifelsfrei zu belegen, dass gerade bei Personen mit niedrigem Risiko eine Potenzierungseffekt in Bezug auf die gewonnenen gesunden Lebensjahre vorliegt, wenn das Risiko weiter gesenkt wird. Dieses Potential, das zeigt unsere Studie ebenfalls , ist vorhanden.

Schlussfolgerungen

Unsere Studie zeigt erstmals für eine Population aus Deutschland und der Schweiz, dass trotz niedrigem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ein sehr grosses Potential für die Prävention brach liegt. Die Zahl der gewonnen gesunden Jahre mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% beträgt rund 15 Jahre mit der Intervention.

Aus diesem Grunde müssen alle Risikofaktoren in den Zielbereich gebracht werden, um eine Krankheitskompression zu erreichen. Insbesondere beim LDL Cholesterin liegt das grösste Potential auf der Populationsebene.

Besonders wichtig ist die Beobachtung, dass mit steigendem linearem Risiko eine Reduktion der erwarteten gesunden Jahre in der Potenz erfolgt, also mit steigendem Risiko rasch abnimmt. Deswegen ist es auch wichtig, dass trotz niedrigem Risiko die Idealwerte erreicht werden.

Nur so kann eine substantielle bevölkerungsbasierte Kompression der Morbidität bis in das hohe Alter erreicht werden. Die sozialen und medizinischen Implikationen auf die Kosten ist erwartungsgemäss enorm. Dazu wird allerdings eine separate Analyse anhand der Krankheitskosten notwendig werden.